Vilim Vasata – der Kommunikationskönig

Dieser Artikel erinnert an Vilim Vasata, einen der prägendsten Werber Deutschlands, vielleicht sogar überhaupt, der im Sommer 2016 starb. Entgegen seinen Werken von der Öffentlichkeit ging er vergleichsweise unbeachtet. Nur in Fachmedien erschienen einige Nachrufe, allerdings waren auch diese eher kurz gehalten, schienen auf eine Todesanzeige in der FAZ hin veranlasst worden zu sein. Vasata hätte sich beinahe unbemerkt davongemacht, genauso schelmisch wie er sich in seinen Büchern gibt.

Das mag daran liegen, dass die meisten seiner Weggefährten ebenfalls nicht mehr unter uns weilen dürften, Vasata ist immerhin 86 Jahre alt geworden. Da brauchte es eben eine Anzeige in der ehrwürdigen FAZ, um zumindest die Branche wachzurütteln. Seine Verdienste sind hinlänglich bekannt, als Mitgründer 1956 von Team, jener vielleicht ersten professionell durchorganisierten Werbeagentur Deutschlands, die später in BBDO aufging, als Mitglied des globalen Führungsteams von BBDO Worldwide und Chairman von BBDO Europe sowie auch als Mitbegründer und erster Präsident des Art Directors Club für Deutschland (ADC). Dass er Mitglied in der „Hall of Fame der deutschen Werbung“ ist, versteht sich fast von selbst.

Seine Kampagnen indes waren oft viel mehr als die Vermittlung reiner Werbebotschaften. Sie stießen einerseits sofort zum Kern des Markenversrechens vor und verankerten andererseits ein holistisches Gesamtbild im Gehirn der Zielgruppe und überhaupt all jener, die die Kampagne wahrnahmen. Von Hause aus Grafiker und Gestalter, darüber hinaus Bewunderer und Könner japanischer Kalligraphie, durchbrach Vasata die Grenzen der Disziplinen fortwährend. Sprache, Szenerie, Story – er beherrschte das Gesamtbild dessen, was wirkungsvolle Kommunikation ausmacht, wohl wie kein zweiter seiner Zeit.

Wer ein Auto die Skischanze hochfahren sieht, braucht keine weitere Erklärung zu den Vorzügen des Allradantriebs – wie überhaupt zum Vermögen aller Autos dieser Marke. Wer rasch etwas backen oder kochen muss, braucht nicht mehr lange über Rezepte nachzudenken: Man nehme Dr. Oetker.  Und so weiter. Vasatas Entwurf  eines neuen Sony-Logos – mit dem er einen weltweiten Wettbewerb gewann, welchen Sony allerdings nur aus PR-Zwecken ausgelobt hatte –, wirkt noch heute futuristisch. Internet-of-Things in Buchstaben gegossen. Dass, was wir unter Werbung heute verstehen, sähe ohne Vasata schlicht anders aus.

Ich hatte das große Privileg, im Jahr 2013 ein Telefonat mit Vilim Vasata führen zu dürfen. Der Grund war einfach. Ich wollte mir sein Buch „Gaukler, Gambler und Gestalter“ signieren lassen. Das Buch übrigens ist nicht nur ein äußerst empfehlenswertes Sittengemälde über Jahrzehnte der Werbung, des Managements, des Unternehmertums und aller Protagonisten, nein, man lernt quasi im Vorbeigehen eine Menge über erfolgreiche Kommunikation von der strategischen Betrachtung bis zur schlussendlichen Bild- und Wortwahl. Auch wird deutlich, dass die Kalligraphie für Vasata noch vor dem reinen ästhetischen Aspekt medialer Ausdruck war, und zwar einer umfassenden, japanisch – oder ostasiatisch – geprägten Lebensphilosophie, die sein Werk, Handeln und Denken durchdrang und ihm Inspiration und Kraftquelle war.

Vielleicht lag darin sein Geheimnis. Werbung war für ihn nicht die mechanistische Auswahl und Anwendung von Werkzeugen, er erfasste und erspürte eine Lösung vielmehr über alle Sinne, emotional und ganzheitlich. Die Umsetzung war dann Handwerk, quasi Mittel zum Zweck, jedoch niemals Selbstzweck. Seine Herangehensweise wäre heute wohl der Albtraum aller Controller, wie es sie in modernen Agenturen vermehrt geben soll.

Ein Telefonat also. Kaum zu glauben, Vasata stand im Telefonbuch und hob direkt ab. Aus meinen Anliegen entspann sich ein unerwartet intensives Gespräch über eben die Kommunikation an sich, aber auch über die Führungskräfte in Organisationen, die durch ihre Art zu kommunizieren alles bewirken oder alles zerstören können. Um Werbung ging es kaum. Vasata befragte mehr mich als umgekehrt, er war wirklich neugierig, etwas über meinen Arbeitsalltag und meine Motivation zu erfahren. Ich empfand das als große Ehre und bereichernd obendrein. Das Buch schickte ich ihm zu, ich erhielt es zurück mit einer langen und persönlichen Widmung. Zu einem persönlichen Treffen kam es leider nicht, Vasata steckte mitten in einem Umbau und hatte auch beruflich viel zu tun. Er arbeitete noch? „Auf Anfrage ja. Wenn es einer mit mir aushält“. Die legendäre Unbeirrbarkeit, er hatte sie sich offenbar bis zum Schluss bewahrt.

Vielleicht war es diese Unbeirrbarkeit, die Vasata diesen sagenhaften Aufstieg in Deutschland erleichtert hat. Man glaubt es kaum, der Grafik-, aber doch auch Sprachakrobat war gebürtiger Kroate und Deutsch nicht seine Muttersprache. Er war Flüchtling, Migrant, und was für einer! Spielte bald mit der Fremdsprache wie nach ihm nur Amir Kassaei als inzwischen ebenfalls legendärer Branchenkollege. Nur selten laut, sondern meistens verschmitzt, doppelbödig, hintersinnig. Sozusagen maßvolle Frechheit als intellektuelle Übung, die aber dennoch jeder versteht, in sich hinein lächelnd.

Seine beiden Bücher „Radical Brand“ und „Gaukler, Gambler und Gestalter“ zeigen, dass Vasata eben mehr war als ein König der Werbung. Er war ein König der Kommunikation überhaupt, den letztlich nur der Tod zum Abdanken zwingen konnte. Sein Werk und sein Vermächtnis aber leben weiter, sicher an viel mehr Stellen als wir es wahrnehmen.

Thorsten Knobbe (Januar 2017)