Die automatische Erstellung der Bewerbung per KI ist verlockend. Wir schwer fällt es doch oft, ein griffiges Anschreiben mit Erfolgsaussicht zu verfassen! Man starrt unendlich lang auf den Bildschirm oder klickt sich verzweifelt durch das Web auf der Suche nach Mustertexten (außer man kreiert beruflich, und selbst wir bei Leaderspoint müssen oftmals tief nachdenken, bevor ein erster Textentwurf den Computer verlässt). Die ersten Erfolgsmeldungen haben daher überrascht, manche Bewerbungsberater oder Texter vielleicht auch erschrocken. Die KI ChatGPT hat Bewerbungsanschreiben erzeugt, mit denen Bewerberinnen und Bewerber in Testläufen tatsächlich Einladungen zu Vorstellungsgesprächen bekommen haben.
Keine Bewerbung für anspruchsvolle Fälle
Auch wir haben aufgemerkt, ein ChatGPT-Konto eingerichtet und uns parallel die publizierten Fälle genauer angesehen. Als Online-Pioniere sind wir schon qua Historie verpflichtet, die Digitalisierung und ihre neuesten Entwicklungen zu verfolgen. Schließlich könnte der vermeintliche Sensationsbot ChatGPT, wenn er schon keine Bedrohung sein sollte, sich als wertvoller Helfer bewähren. Nach unseren Einblicken in die Testfälle waren wir von der Leistung der Software doch stark enttäuscht – anders übrigens als bei DeepL, auch wenn der Vergleich hinkt. Will sagen: Wir sind nicht ideologisch geprägt.
Zur Erkenntnis: Die präsentierten Texte wirkten steril und beliebig, ohne den entscheidenden Bezug zum Unternehmen oder der Stelle in Abgleich mit den eigenen Vorzügen. Natürlich mag die Fähigkeit der Software, aus ein paar Eckdaten einen flüssigen Text zu erzeugen, auf den ersten Blick beeindrucken. Doch schnell merkt man, dass der Bot nur an der Oberfläche kratzt. Sätze wie „Ich bringe aufgrund meiner langen beruflichen Laufbahn vielfältige Erfahrung mit“ oder „Ich bin überzeugt, dass ich ein wertvoller Teil Ihres Teams sein werde“ gehören ohne Kontext in die Mottenkiste. Hier erweist sich die KI als erstaunlich altmodisch und uninspiriert.
Der Kontext fehlt
Kontext ist überhaupt das relevante Stichwort. Da eine KI auf Basis von Datensammlungen aus der Vergangenheit lernt, kann sie noch so viele Informationen fressen, sie wird immer nur dieses Vergangene umwälzen. Daraus kann man zwar hin und wieder in die Gegenwart und Zukunft extrapolieren, aber die Zielrichtung bleibt ohne Kontext unklar. Eine KI müsste in Echtzeit den Bezug zur Stellenausschreibung, zum Unternehmen und zu vielen anderen Einflussfaktoren herstellen, nicht zuletzt den Präferenzen des Individuums – und diese dann adäquat gewichten und folgerichtig ausformulieren. Plus: Am besten noch weiterführende Impulse liefern. Das ist ohne emphatischen Dialog und ausgewogen rational-emotionalen Austausch nicht möglich. Diese Anforderungen kann durch seine Beschaffenheit kein Chatbot erfüllen – und wird es womöglich nie. Für emotionale Intelligenz und richtige Schlussfolgerungen aus komplexen (nicht komplizierten) Zusammenhängen ist eine KI nicht gebaut.
Doch woher der Erfolg?
Offenbar führten einige Bewerbungen mit Anschreiben, die von ChatGPT erstellt wurden, zu einer Einladung zum Vorstellungsgespräch beziehungsweise haben Recruiter bestätigt, eine Kandidatin oder einen Kandidaten einladen zu wollen. So weit, so gut. Schaut man sich aber die ausgeschriebenen Stellen an, wird klar warum. Alle haben einen IT-Bezug im weitesten Sinn, zielen auf begehrte weil knappe Kompetenzprofile ab und sind keine oder keine relevanten Führungspositionen. Wir behaupten: Für die Einladung zum Vorstellungsgespräch unter diesen Randbedingungen braucht es gar kein ausgefeiltes Anschreiben. Drei halbwegs vernünftige Sätze mit möglichst wenig Tippfehlern hätten gereicht. Bei einer Bewerbung beispielsweise direkt aus Linkedin heraus könnte das Anschreiben gleich ganz wegfallen.
Diese Fälle sind aber meilenweit von den Bewerbungsverfahren entfernt, in denen sich Berufserfahrene mit zunehmend anspruchsvollen Profilen und entsprechenden Stellenanforderungen – und möglicherweise noch dazu bei der ersten Riege der Personalberatungen – bewähren müssen. Hier fängt die Kunst erst an.
Und nebenbei bemerkt: Über den Lebenslauf und seine Stellen, an denen man sich profilieren kann oder die erklärt werden müssen, verlieren die Chatbot-Tester kein Wort.
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