Realistisch sein – welche Stelle passt zu mir?

Selbst Topmanager erliegen bisweilen dramatischen Fehleinschätzungen darüber, welche Stelle zu ihnen passt. So manche Bewerbung geht daneben, weil der Bewerber sich vorher nicht darüber im Klaren ist, wie gut (oder eben schlecht) die eigenen Qualifikationen zum gesuchten Stellenprofil passen.

Auch der Wettbewerb ist in die Kalkulation einzubeziehen: Bringt man selbst nur 60 Prozent Passung für eine Vakanz mit, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es Konkurrenten gibt, die besser für diese Position geeignet sind. Natürlich spielen auch die richtige Ausgestaltung von Anschreiben und Lebenslauf eine Rolle, doch selbst ein optimal gestalteter Lebenslauf kann gravierende Abweichungen nicht kaschieren.

Zudem scheinen die Filter der Personalabteilungen phasenweise mal enger und mal weiter gestellt zu werden. Grundsätzlich beobachten wir seit dem Jahr 2016 wieder eine genauere Prüfung der Passung beziehungsweise gestiegene Ansprüche seitens der Personalverantwortlichen in Unternehmen. Dies erstaunt, weil die Situation am Arbeitsmarkt eher für eine gewisse Großzügigkeit sprechen sollte, da tendenziell mehr Stellen offen sind als es Bewerber gibt. Wirklich plausibel erklären lässt sich diese vermeintliche Diskrepanz wohl nur dadurch, dass manche Stellen – man muss es so sagen – nur zum Schein ausgeschrieben werden.

Dieses Grundübel kannte man bisher eher auf dem Stellenmarkt für junge Berufstätige, vor allem in wirtschaftlichen Krisenphasen nach 2001 und 2007. Unternehmen versuchten, sich durch Scheinausschreibungen als attraktive Arbeitgeber mit Perspektiven zu positionieren und vor allem als gesund zu präsentieren. Irgendwann ging der Schuss nach hinten los. In den letzten Jahren also war dieses Phänomen im Stellenmarkt der Berufseinsteiger zumindest gefühlt nicht mehr anzutreffen – dafür offenbar jetzt im Stellenmarkt für Berufserfahrene.

Zur Ehrenrettung sei gesagt, dass in einem konjunkturstarken Bewerbermarkt so einige dazu neigen, ihren Hut allzu forsch in den Ring zu werfen, um den eigenen Marktwert zu testen. Aber wirkliches Interesse an einem Stellenwechsel haben sie nicht. Wenn es konkret wird, sagen sie ab, so dass es womöglich nicht einmal zum Vorstellungsgespräch kommt.  Das führt dann zu sehr langen Besetzungsverfahren, im Laufe derer einige Bewerber vertröstet, abgelehnt und verprellt werden.

Bewerber müssen also eine Gratwanderung meistern. Wer geforderte Kernkriterien wie beispielsweise Branchenerfahrung, Managementerfahrung in einer bestimmten Funktion oder spezielle Zertifikate überhaupt nicht mitbringt, dürfte in jedem Falle schlechte Karten haben. Dann ist eine Bewerbung tatsächlich eher als Spaßprojekt zu verstehen oder gleich als Schuss ins Blaue. Wer die Kernkriterien erfüllt, darf sich immerhin berechtigte Hoffnungen machen, sollte allerdings gleichwohl ein dickes Fell und einige Geduld mitbringen.

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