Personalauswahl per Algorithmus (1)

Algorithmen sollen sehr bald auch die Personalauswahl in Unternehmen steuern, jedenfalls wenn es nach Wissenschaftlern und Systemanbietern geht. Seit einiger Zeit geistern Vorschläge und Szenarien nicht nur durch die Personalfachmedien, sondern auch durch Wirtschaftsmagazine. Der Tenor: Kollege Algorithmus ist allemal der bessere Personaler.

Nun kann man diese Forderungen als Zeitgeist abtun, denn die Digitalisierung betrifft ja gefühlt jeden Arbeits- und Lebensbereich. Nichts wird in Zukunft mehr analog funktionieren, angeblich. Dass Personaler gern als mittelmäßig befähigt und deshalb zunehmend bedeutungslos für den Unternehmenserfolg gescholten werden, ist ebenfalls nicht neu.

Völlig befremdlich allerdings wird es, wenn man sich anschaut, wie der ideale neue Bewerbungsprozess aussehen soll. So steht als eine zentrale Forderung die Abschaffung des Bewerbungsanschreibens im Raum: das Anschreiben diene ja nur zur unerwünschten Selbstdarstellung! Schon hier offenbart sich eine bedenkliche Praxisferne der Wissenschaft, mindestens aber ein großes Missverständnis.

Gute Bewerbungsschreiben enthalten natürlich keine Plattitüden und auch keine so genannten Selbstdarstellungen, die auf nicht begründeten Behauptungen beruhen. Sie erklären vielmehr, warum man sich bei genau diesem Unternehmen bewirbt und welche Qualifikationen oder Erfahrungen man dafür mitbringt. Abgesehen davon legen Bewerber im Anschreiben gelegentlich auch Wünsche, Wechselgründe und Präzisierungen dar, die wertvolle Informationen zur erfolgreichen Eingliederung ins Unternehmen bieten. Weniger Reibungsverlust bringt sogar finanzielle Vorteile.

Weiterhin flohlockt mancher Forscher über anzukreuzende Felder, die keinen Raum für weiterführende Informationen lassen, und damit verbundene Tests zur Ermittlung spezifischer Persönlichkeitsmerkmale oder gleich der Intelligenz (nur welcher?). Wie leicht man diese online schalten könne, auf dass sich Personaler nur noch mit den als geeignet beurteilten Kandidaten befassen!

Spätestens hier muss man sich fragen, welchen Bezug die Wissenschaft zum Bewerbermarkt hat. Automatisierungsversuche sind eben nicht neu, mit solchen Angeboten wurde schon in der Frühphase des Internets vor 20 Jahren experimentiert. Sie haben sich nicht durchgesetzt, und zwar nicht aus Gründen der damaligen technischen Begrenzungen. Nein, die meistern Bewerber hatten selbst im damals sensationell neuen Internet keine Lust, sich durch lange Fragebögen zu klicken. Diese Haltung dürfte sich heute noch verschärft haben, denn die meisten Bewerber haben die Wahl. Sie sind rar und begehrt.

Da kann ein Konzern beste Konditionen bieten, vielen Nachwuchskräften – übrigens Frauen wie Männern, ich wüsste keinen Unterschied – ist ihre Zeit zu schade, um sie mit Anklicken und Ausfüllen vieler Masken zu verbringen. Standardisierung, maximale Maschinenlesbarkeit und nahezu aller Arbeitsaufwand bei den Bewerbern: Der verheißungsvolle Schritt in die Zukunft ist tatsächlich der Weg zurück in die Steinzeit des Internets.

Abgesehen davon existieren ja mindestens mit Xing und Linkedin zwei populäre Plattformen, die Personalentscheider Tool-gestützt als ausschließliche und relativ schematische Bezugsquelle nutzen könnten. Viele Unkenrufer hatten angesichts dieser Netzwerke schon das Ende der Bewerbung ausgerufen! Nichts dergleichen ist eingetreten. Die Individualität und Diversität der Menschen und Unternehmen erfordern offensichtlich auch eine Vielfalt der Bewerbungsverfahren und die persönliche Begegnung. Das ist der Punkt: Möglicherweise bringt bei Einsteigern oder Experten das Anschreiben keinen Mehrwert, wenn es bei einer Stelle nahezu allein auf Spezialkenntnisse ankommt. Bei anderen Stellen gilt das eben nicht...

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